Ich bin ein Querdenker!

Gestatten? Ich bin ein Querdenker! 

Das war ich schon sehr lange bevor dieser Begriff ins öffentliche Bewusstsein gerückt wurde. 

Mein Selbstdenken, wie ich es lieber nenne, reicht bereits ein halbes Jahrhundert zurück. Was mir damals im Kommunionunterricht als „heilige Wahrheit“ serviert wurde, erschien mir als hanebüchener Unsinn, durch und durch unlogisch und obendrein nicht im mindesten attraktiv. Die andere Backe hinzuhalten fand ich einfach doof.

Doch als Zehnjähriger stand ich mit dieser Auffassung allein auf weiter Flur. Weder die Mitschüler, noch meine Eltern wagten es, sich gewisse Fragen zu stellen. Für sie war es göttliche Wahrheit und allein der Zweifel daran, wäre eine schwere Sünde gewesen. So haben es die Kirchen über Jahrhunderte geschafft, die Menschen zu manipulieren und zu unterdrücken. 

Das Prinzip nannte sich Erbsünde. Erinnert euch: Eva hat einen Apfel vom falschen Baum gepflückt und damit gegen Gottes Gebot verstoßen. Deswegen kommen noch heute all ihre Nachkommen als Sünder auf die Welt und können sich nur durch die Taufe reinwaschen. Damit ist die Sache jedoch nicht ausgestanden, denn fast alles, was Spaß macht, ist schon wieder eine Sünde, für die erneut gebüßt werden muss. Christen suhlen sich ständig in imaginärer Schuld. Es ist ihnen nicht vergönnt, gut genug zu sein. Das macht sie beherrschbar.

Daran glaubt heute natürlich fast niemand mehr, es klingt einfach zu lächerlich. Das Prinzip funktioniert dennoch munter weiter. Statt für Evas Biss in den Apfel, soll ich nun für den Holocaust, die Armut in der Dritten Welt und den Klimawandel verantwortlich sein. Für Dinge, die weit vor meiner Geburt passiert sind, oder gegen die ich nicht das Mindeste hätte tun können. 

Natürlich ist all das genauso lächerlich unlogisch, wie die Geschichte mit dem Sündenfall, doch erneut glauben es die Massen. Die alte Konditionierung sorgt dafür, dass sie sich wieder mal selbst geißeln und widerspruchslos das tun, was ihnen gesagt wird. Die gute alte Erbsünde ist aktueller denn je.

„Aber du musst doch…!“ pflegte meine selige Mutter immer dann zu sagen, wenn ihr die Argumente ausgingen. 

Muss ich das wirklich? Was passiert denn, wenn ich es nicht tue? Wenn ich den ganzen Quatsch nicht glaube, sondern meiner eigenen Anschauung vertraue und danach handle? Mit der einen, einzigen, Einschränkung meinen Mitmenschen keinen Schaden zuzufügen.

Machen wir es kurz: Nichts ist passiert! Weder hat mich die Hölle verschlungen, noch mußte ich je ins Gefängnis. Ich bin auch weder in der „Gosse“, noch auf der Parkbank gelandet. 

Ganz im Gegenteil, habe ich es dank meiner kritischen Haltung in die oberen Etagen geschafft. Dorthin gelangt man nämlich nicht durch braves Glauben und treues Dienen, sondern durch eigenständiges Denken und Handeln. Dadurch, eben gerade nicht das zu tun, was alle tun, sondern es zu wagen, neue Wege auszuprobieren. Den Chor der warnenden Stimmen zu ignorieren und auch mal eine krachende Niederlage wegstecken zu können. Am Ende wird sich immer ein Weg zu finden, das Problem zu lösen. So unorthodox der auch sein mag.

Deshalb waren es immer Querdenker, die die Welt ein kleines Stückchen weiter gebracht haben. Menschen, die, mit den Worten von Steve Jobs, eine „Delle ins Universum“ gehauen haben. Querdenker genannt zu werden, sollte ein großes Kompliment sein!

Eine Nation, in deren Sprache dieser Begriff zum Schimpfwort verkommen ist, befindet sich dagegen im geistigen Sturzflug. Sie disqualifiziert sich selbst als eine Nation von Nicht-Denkern, Jasagern und Mitläufern. Eine derartige Geisteshaltung steht für Stillstand, Niedergang und am Ende für Unmenschlichkeit. Im Westen nichts Neues…

Wer von euch traut sich, ebenfalls ein Querdenker zu sein? Wie seid ihr dazu gekommen? Ich bin neugierig auf eure Geschichten.

Eine Antwort zu “Ich bin ein Querdenker!”

  1. Hi Benedikt, ich vermute ich bin auch ein Querdenker. Ich mag vorsichtig mit diesem Selbsttitel sein, solange ich noch in Deutschland lebe.

    Aber wie das kam, kann ich sagen. Mein Vater war Pfarrer, und ich war ein schlaues Kind was viel gelesen hat. Da haben sich ähnliche Fragen wie bei dir aufgetan. On top…und vll noch etwas intensiver, wuchs ich als Pfarrerskind noch 10 Jahre in der DDR auf. Ich hatte also vom Start eine Außenseiterposition die erlaubte und förderte das System in Frage zu stellen. Dieses Infragestellen beobachte ich allerdings bei vielen Ex-Ossis meiner Generation. Man wurde ja richtig trainiert darauf anzuzweifeln und zwischen den Zeilen zu lesen und zu reden 😉 (Könnte bei 40-50 Jährigen aus den ehemaligen Ostblockländern überall der Fall sein. Müsste man mal überprüfen.)

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